Darmkrebsfrüherkennung – demnächst blutbasierte Teste?

seufferleinDas kolorektale Karzinom (KRK) ist aktuell in der europäischen Union für jährlich 200.000 Todesfälle verantwortlich. Viele dieser Todesfälle wären durch Früherkennung, die beim KRK möglich ist, vermeidbar. Es gibt daher massive Anstrengungen in ganz Europa, durch geeignete Screeningmaßnahmen Darmkrebs in frühen Stadien zu erkennen – oder besser – die Inzidenz zu verringern. Deutschland hat eines der ältesten Darmkrebs-früherkennungsprogramme in Europa. Neben dem Guaiak-basierten FOBT-Stuhltest wurde 2003 die Screeningkoloskopie in die Krebsvorsorge aufgenommen. Mehrere Millionen Vorsorgekoloskopien wurden seither durchgeführt. Sehr wahrscheinlich als Ergebnis dieser Maßnahme sinkt in den letzten Jahren die Inzidenz des KRK in Deutschland. Problematisch ist für viele Patienten die aufwändige Vorbereitung zur Koloskopie; andere empfinden die Koloskopie als zu invasive Vorsorgemaßnahme und würden gerne eine weniger invasive Methode „vorschalten“.

Der herkömmliche FOBT ist zu wenig sensitiv für die Detektion von Karzinomen (13-38%), um als wirklich guter „Filter“ zu dienen. Der kürzlich in Deutschland eingeführte immunologische Stuhltest (iFOBT oder FIT) hat eine höhere Sensitivität für die Detektion von Karzinomen, ist allerdings nicht wesentlich besser bei der Erkennung sogenannter „fortgeschrittener Adenome“, das sind Adenome, die ein höheres Risiko haben, sich zu einem Karzinom zu entwickeln. FOBT und iFOBT haben den gemeinsamen Nachteil, dass sie einen gewissen zusätzlichen Aufwand für den Patienten bedeuten – Stuhl muss gesammelt und der weiteren Analytik zugeleitet werden.

Eine weitere, noch einfachere Möglichkeit zum Screening wäre die Blutdiagnostik. Eine Studie zeigt, dass 82% der Menschen, die eine Screeningkoloskopie ablehnen, zu einem Bluttest als Darmkrebsvorsorge bereit wären. 15% votierten für einen Stuhltest und nur 3% lehnten jedes Verfahren ab (Adler et al., BMC Gastroenterol. 2014). Wie steht es nun mit Bluttests zur Darmkrebsvorsorge?

Tatsächlich sind derartige Tests gar keine bloße Zukunftsperspektive mehr, sondern existieren bereits in der einen oder anderen Form. Gerade wurde ein Bluttest zur Früherkennung von Darmkrebs in der Schweiz zugelassen (COLOX-Test), der auf einer Analyse der Expression von 29 Genen in mononukleären Blutzellen basiert. Sensitivität und Spezifität dieses Tests liegen hinsichtlich der Erkennung von Kolonkarzinomen bei 79.5% bzw. 90%, die Sensitivität zur Erkennung von fortgeschrittenen Adenomen allerdings nur bei 55.4% (Ciarloni et al., Clin. Cancer Res 2016). Die FDA hat ebenfalls einen blutbasierten Test zur Darmkrebsfrüherkennung zugelassen, der methyliertes Septin 9 in zirkulierender (Tumor-) DNS nachweist. Die berichtete Sensitivität und Spezifität dieses Tests liegen für die Erkennung von Kolonkarzinomen bei 68% bzw. 79% (Toth K et al., Plos one 2014; Johnson DA et al., Plos one 2014; Song, Epigenomics 2017). Beide Teste werden in Deutschland nicht im Rahmen der Darmkrebsvorsorge erstattet.

Blutbasierte Tests zur Darmkrebsvorsorge, die noch in der Entwicklung sind, untersuchen zirkulierende DNS-Histonkomplexe, sogenannte Nukleosomen (VolitionRxNuQ-Test), die NK-Zell-Aktivität im Blut (NKVue Blood Test), die Expression bestimmter Proteine im Plasma mittels Massenspektrometrie (SimpliProColon Blood Test) oder Tumor-spezifische anti-Glycan-Antikörper in Kombination mit Tumormarkern (Glycochip Test).

Erwähnt werden muss auch, dass ganz andere Analyte hinsichtlich einer Verwendung zur Darmkrebsvorsorge ebenfalls untersucht werden und interessante erste Daten zeigen: Metabolite im Urin mittels Massenspektrometrie (PolypDx-Test) oder die Atemluft, in der sich volatile organische Bestandteile (z.B. Acteon oder Ethylazetat) messen lassen, die bei Kolonkarzinomen in höherer Konzentration vorliegen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vorsorgekoloskopie nach wie vor der Goldstandard zur Vorsorge und Früherkennung von Darmkrebs ist, insbesondere durch die Möglichkeit der Entfernung von Polypen als Darmkrebsvorstufen. Durch die rasanten Entwicklungen in der diagnostischen Analytik in den letzten Jahren, sei es im Bereich der Genetik und Epigenetik oder der Massenspektrometrie werden Messungen in einer Empfindlichkeit, Präzision und zu einem vertretbaren Preis möglich, die vor kurzem ausschließlich speziellen Forschungsvorhaben vorbehalten waren. Daher lässt sich voraussagen, dass in absehbarer Zeit die Koloskopie vor allem therapeutische Indikationen haben wird, also z.B. die Polypektomie, während das Darmkrebsscreening durch nichtinvasive Methoden sehr gut möglich wird. Die noch zu geringe Sensitivität und Spezifität der aktuellen Teste insbesondere bei der Erkennung von fortgeschrittenen Adenomen lassen sich möglicherweise durch die Kombination von unterschiedlichen Testverfahren und Testsubstraten deutlich verbessern. Mit für den Patienten simplen, wenig belastenden Testen im Rahmen einer Blut-, Urin- oder Atemuntersuchung steigt dann hoffentlich die Akzeptanz der Darmkrebsvorsorge noch deutlich an – denn der beste Test ist der, der durchgeführt wird, wie Sidney Winawer, der Nestor der Vorsorgekoloskopie in den USA, schon immer betont hat.

Verfasser: Prof. Thomas Seufferlein, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm, Email: thomas.seufferlein@uniklinik-ulm.de

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