Manche Experten hatten angenommen, dass ein Rückgang von Untersuchungen zur Darmkrebsvorsorge möglicherweise zu einem Anstieg der Darmkrebshäufigkeit führen würde. Nun belegen aktuelle Analysen das Gegenteil. Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Zentralinstituts der Kassenärztlichen Versorgung (ZI) zeigen, dass in den Jahren 2020 bis 2023 die Teilnahme an der Darmkrebsvorsorge (Koloskopie) kontinuierlich zugenommen hat. Hier wirkt offensichtlich das Einladungsverfahren und die Absenkung des Eingangsalters für Männer ab 50 Jahren seit 2019 (Abbildung 1). Mittlerweile liegen auch die Krebsregisterdaten des RKIs bis 2022 vor. Diese zeigen, dass dieAnzahl der Neuerkrankungen für Frauen bei 24.654 und für Männer bei 29.956 liegt. Die Gesamtzahl der Neuerkrankungen beträgt damit 54.610 und hat seit 2008 (68.332 Patienten) fast kontinuierlich abgenommen. Die Anzahl der an Darmkrebs Verstorbenen lag 2022 bei 22.959, dies entspricht etwa 42% der Neudiagnosen (Abbildung 2).
Betrachtet man die Darmkrebsinzidenz, so lag diese für Frauen im Jahr 2003 bei 44.9 und ist bis 2022 auf 29.5 gefallen, was einem Rückgang um 34.3% entspricht. Für die Männer lag die höchste Inzidenz bei 68.9 im Jahr 2002 und fiel im Jahr 2022 auf 24.3, was einem Rückgang um 35.3% entspricht (Abbildung 3). In absoluten Zahlen ausgedrückt heißt dies: Die Neudiagnose von Darmkrebs fällt bei Frauen von ihrem Maximum von 31.740 Fällen im Jahr 2005 auf 24.654 im Jahre 2022 (- 22.3%). Für Männer fällt die Anzahl der neuen Diagnosen mit einem Maximum von 37.235 im Jahr 2008 auf 29.956 im Jahr 2022 (-19.5%). Während der Rückgang der Mortalität um 43% bei den Männern (ab 1999) und 49.5% bei Frauen (ab 2002) Folge von Vorsorge und einer verbesserten Behandlung (Endoskopie, Chirurgie, Chemotherapie) ist, dürfte die Abnahme der Inzidenz allein auf Versorgemassnahmen zurückzuführen sein.
Seit 1999 legt das RKI jährlich vergleichbare Daten zur Inzidenz und Morbidität des KRK vor. Während es in den ersten Jahren, auch durch Früherkennung von noch systemlosen Patienten mit Darmkrebs, im Rahmen der Vorsorgemaßnahmen zu einem kontinuierlichen Anstieg der Neuerkrankungen kam, sinken die neu diagnostizierten Fälle ab 2005 für die Frauen und ab 2008 bei den Männern kontinuierlich. Ab 2020 scheint sich dieser Prozess zu beschleunigen. Dabei dürfte die kontinuierliche Abnahme der Inzidenz allein auf die Entfernung von Adenomen zurückzuführen sein, da behutsame positive gesellschaftliche Änderungen des Lebensstils (Adipositas, Diabetes, Rauchen) nicht zu erkennen sind.
Was auch noch bemerkenswert ist: die Erkrankungs- und Todesraten fallen bei Frauen stärker ab als bei Männern. Dies könnte daran liegen, dass die Teilnahmeraten an der Darmkrebsvorsorge bei den Frauen deutlich höher liegen als bei den Männern, ein weiterer indirekter Beleg für den Effekt der Darmkrebsvorsorge. Text: Dr. med. Dipl. rer. soc. Dietrich Hüppe | Co-Sprecher Fachgruppe Kolorektales Karzinom des bng | Vorstand Stiftung Lebensblicke
Abbildung 1: Entwicklung der Vorsorgekoloskopie in Deutschland (Quellen: ZI, KBV)
Abbildung 2: Neudiagnosen und Mortalität des KRK in absoluten Zahlen (Quelle: Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) am Robert Koch-Institut (RKI), 2024, letzter Zugriff: 14.03.2025), eigene Darstellung
Abbildung 3: Inzidenz und Mortalität des KRK in Deutschland (Quelle: Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) am Robert Koch-Institut (RKI), 2024, letzter Zugriff: 14.03.2025), eigene Darstellung