Koloskopie: Unter- / Überversorgung – relevantes Problem?

Der Innovationsausschuss beim G-BA hat Mitte Februar 2022 ein Projekt zur Unter- und Überversorgung für koloskopische Leistungen positiv bewertet und stellt diese Ergebnisse zur Diskussion. Ein Autorenteam aus Epidemiologen und Klinikern haben über fünf Jahre Abrechnungsdaten von Krankenkassen (AOK, TK) ausgewertet und unter Berücksichtung von regionalen Versorgungsstudien und Leitlinien das Ausmaß von Unter- und Übersorgung im Bereich der Koloskopien in Deutschland im ambulanten und stationären Bereich untersucht. Sie kommen dabei –  kurz zusammenfasst – zu folgendem Ergebnis: Patienten, bei denen Polypen (Adenome) entfernt worden sind, werden nicht regelmäßig nach 3-5 Jahren nachuntersucht. Dabei wird die Chance auf eine leitliniengerechte Darmkrebsvorsorge vertan. Zugleich werden Patienten, bei denen keine Adenome gefunden worden sind und sich nach der Leitlinie eine Kontrolluntersuchung erst nach ca. 10 Jahren ergibt, viel zu häufig und zu früh nachuntersucht. Die Gründe sind vielfältig und können in der Untersuchung nur erfasst werden, soweit sie durch die Kodierung überhaupt korrekt zu erfassen sind. Beschwerden von Patienten, nicht leitliniengerechter Einsatz von iFOBTs, chronische Darmerkrankungen und Sorge vor Darmkrebs könnten Gründe für eine solche Untersuchung sein.

Ein Autorenteam der DGVS hat gegenüber dem GBA ausführlich zu der vorgelegten Untersuchung Stellung genommen. Prinzipiell hält die DGVS das Thema für sehr relevant, um so mehr Kapazitäten für die Darmkrebsvorsorge zu mobilisieren. Dennoch sind die Ergebnisse der Studie kritisch zu bewerten.  So unterscheidet die Untersuchung z.B. nicht, wo die Wiederholungsuntersuchungen durchgeführt werden, was die wirkliche Indikation der Kontrolluntersuchungen war, welche Motivation Zuweiser und Patienten zur erneuten Vorstellung führte. Auch die Frage der intensivierten Vorsorge bei familiären oder individuellen Risiken wird nicht erfasst.

Die DGVS befürwortet eine prospektive Interventionsstudie, die insbesondere folgende Aspekte erfassen könnte:

  1. Etablierung eines Recall-Systems zur Adenomnachverfolgung
  2. Ein nationales Koloskopie Register
  3. Digitalisierte Patientendaten (Patientenakte)
  4. Aufklärung und Schulung von Primärversorgern und med. Assistenzberufen bezüglich der leitliniengerechten Indikationsstellung zur Koloskopie
  5. Aufklärung von Patientinnen und Patuienten sowie Betroffenen

Insbesondere die lokale und regionale Kommunikation unter den betreffenden Arztgruppen und Versorgungsebenen sollten dabei gefördert werden (z.B. durch lokale Qualitätszirkel).

Dr. med. Dietrich Hüppe – Herne

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